Haus St. Antonius
 
Grein a.d. Donau / Österreich

(Artikel aus der Quartalschrift "Wegbegleiter" 2011 / 2 - überarbeitet am 29. März 2022 )


Mag. Elisabeth Svoboda
                                                                                                             

"Böse", "gefährliche" Menschen


Die täglichen Nachrichten, die verschiedenen Medien berichten von Menschen oder Personengruppen, von denen eine massive Gefahr ausgeht, für ganze Länder oder Völker. Menschen leben in Angst, werden unterdrückt, getötet.

Die meisten Menschen, die solche Nachrichten hören, reagieren mit Bestürzung und auch Empörung: Dagegen muß etwas getan werden. Bedrohte Menschen müssen geschützt werden. Gefährliche Menschen müssen daran gehindert werden, anderen Böses anzutun. Und es meldet sich auch ein Gerechtigkeitsgefühl. Darf es den Bösen besser ergehen als ihren Opfern? Müßten sie nicht für ihre Taten entsprechend büßen? Manche gehen sogar so weit, zu sagen oder auch nur zu denken: Wäre letztlich nicht eigentlich die Hölle - an die die meisten beim liebenden Gott doch heute gar nicht mehr glauben - der angemessene Ort für sie, und zwar möglichst bald?

Und dann gibt es da die christliche Nächstenliebe und, wenn jemand für einen Feind gehalten wird - ob es so ist oder nicht -, sogar das Gebot der Feindesliebe. Und dann gibt es die Frage: Bei all dem, was man da liest und hört: einen solchen Feind lieben? Wie soll das gehen? Wie soll man Menschen lieben, die so viel Böses tun?

Jesus sagt: "Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte." (Mt 5,43-45).

Es geht bei der Nächstenliebe nicht um eine Belohnung, die nur der bekommt, der sie verdient hat, sondern es geht darum, für den anderen, egal, wie er ist, das Gute zu wollen. Gott liebt jeden Menschen, ohne Ausnahme, "Gute" und "Böse". Gott möchte für jeden Menschen, daß er das Ziel seines Lebens erreicht, die ewige Glückseligkeit im Himmel. Es ist Gott nicht egal, wenn ein Mensch sein Leben so lebt, daß er dieses Ziel nicht erreicht. Er bemüht sich auch um die "Bösen". "Habe ich etwa Gefallen am Tod des Schuldigen - Spruch Gottes, des Herrn - und nicht vielmehr daran, daß er seine bösen Wege verläßt und so am Leben bleibt?" (Ez 18,23).

Oder denken wir auch an das Gleichnis vom verlorenen Schaf: "Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich ... und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und ißt sogar mit ihnen. Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte: Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, läßt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? (...) Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren." (Lk 15,2-7).

Im sogenannten "Fatima-Zusatz" des Rosenkranzes, den die Muttergottes in Fatima gelehrt hat, beten wir: "Oh mein Jesus, verzeih uns unsere Sünden, bewahre uns vor dem Feuer der Hölle, führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die ...". Und dann heißt es nicht etwa: "... die es am meisten verdient haben", sondern ganz im Gegenteil: "... die deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen", also die es am allerwenigsten verdient haben, die am entferntesten vom Himmel sind.

Und was ist mit der Gerechtigkeit? "Rächt euch nicht selber, liebe Brüder, sondern laßt Raum für den Zorn (Gottes); denn in der Schrift steht: Mein ist die Rache, ich werde vergelten, spricht der Herr. Vielmehr: Wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen, wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken ..." (Röm 12,19-20). Und: "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr meßt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden." (Mt 7,1-2).

Wir dürfen und müssen uns vor Gefahren, vor bösen, gefährlichen Menschen schützen und dazu verschiedene Maßnahmen ergreifen. Doch zugleich müssen wir den Wunsch haben und uns bemühen, daß sich diese Menschen in der kostbaren Zeit des irdischen Lebens, in der auch für sie im Hinblick auf die Ewigkeit noch nichts entschieden, noch nichts festgelegt, noch alles offen, noch alles möglich ist, zum Guten hin verändern.

Oben hat es geheißen: "Die meisten Menschen ...". Was tun die übrigen? Manchen ist alles egal. Und manche lesen andere Nachrichten: Sind tatsächlich immer die "bösen" Menschen die Bösen?










 

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