Haus St. Antonius
Grein a.d. Donau / Österreich
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Mag. Elisabeth Svoboda                                                                                                                         

Wieviel Beschaulichkeit und Stille
braucht ein ernsthafter Christ ?

Viele Christen, die ihren Glauben ernsthaft und intensiver als bisher leben wollen, sehnen sich nach mehr Ruhe, Stille, Abgeschiedenheit. Sie wollen mehr Zeit für Gebet, zum Nachdenken haben. Sie möchten sich mehr auf Gott konzentrieren können. Sie möchten nur für Gott da sein, Die laute, oberflächliche Welt wird als Störung empfunden. Sie fühlen sich wie ein Fremder in der Welt, der nicht dazugehört, der aussteigen will.

Für eine gewisse Zeit ist Stille sicher möglich und auch notwendig – sich wohin zurückziehen, vielleicht Exerzitien machen. Bei der Suche nach dauerhafter Abgeschiedenheit kann man aber auch, sofern man keine spezielle Berufung dazu hat, von einer Idealvorstellung geleitet sein, die es vielleicht nicht einmal in einem Kloster so ganz realisiert gibt. Ein Mitglied einer wunderbaren, tief spirituellen neuen Gemeinschaft in Medjugorje sagte einmal vor einer Pilgergruppe hinsichtlich des Zusammenlebens der vielen verschiedenartigen Personen mit großer Ehrlichkeit: "Manche Tage sind schrecklich!".

Muß ein verstärkt heiligmäßiges Leben überhaupt immer automatisch in mehr äußere Einsamkeit führen? Die Hl. Sr. Faustine, von der das bekannt Bild vom Barmherzigen Jesus stammt und die Einsprechungen von Jesus hatte, schreibt in ihrem Tagebuch, daß sie, als sie drei Wochen im Kloster war, davon überzeugt war, hier nicht genug Zeit zum Beten zu haben. Sie sehnte sich nach einem, wie sie sagt, strengeren Orden. Doch Jesus wollte das nicht. Er sagte ihr: "Hierher habe ich dich berufen, nicht woanders, und habe für dich viele Gnaden bereitet." *

Während viele Ordensgemeinschaften sich tatsächlich in Abgeschiedenheit niederlassen, stehen zum Beispiel die Franziskanerklöster mitten in den Zentren der Städte – mit Absicht: Sie wollen mitten unter den Leuten sein, den Glauben direkt zu den Leuten tragen.

Als Beispiel kann man hier gleich den Franziskaner P. Slavko in Medjugorje nennen. Wer ihn noch erlebt hat, weiß es: Er war die zentrale Figur im Pilgeransturm. Wenn er nicht gerade in der Welt auf Vortragsreise war, so war er hier im Dauereinsatz. Neben täglich stundenlangen Gebetsveranstaltungen, die er in der Öffentlichkeit leitete, hat er Einrichtungen aufgebaut, hat organisiert, geplant, koordiniert, Bücher geschrieben ... Wenn er über den Platz ging, wollte immer jemand etwas von ihm. In der äußeren Verausgabung strahlte er eine ständige ruhige Konzentriertheit auf das Wesentliche aus, eine stabile geistliche Verankerung, etwas Übernatürliches; strahlte er genau das aus, was man sonst von einem beschaulich lebenden, zurückgezogenen heiligmäßigen Menschen erwartet. Er starb, so kann man wohl sagen, im Ruf der Heiligkeit.

Im Wiener Stephansdom gibt es eine Anbetungskapelle, die "Eligiuskapelle". Ein ruhender Pol. Hier kann man sich kurz ausklinken aus dem Trubel der Stadt und in eine ganz andere, ruhige Welt eintauchen. Doch die Kapelle ist täglich bis 22 Uhr geöffnet, und mit einem Eck ragt sie in den Stephansplatz hinein. Da kann man oft alles Mögliche in die Stille hereinhören. Man kann sich ärgern, eine Kluft zwischen Welt und Kirche wahrnehmen, mangelnde Rücksichtnahme der Menschen auf einen Ort des Gebetes beklagen. Man kann sich aber auch die Frage stellen: Ist die Welt für uns da, oder sind wir für die Welt da?

Vielleicht kann man in dieser Kapelle und in ähnlichen Situationen in besonderer Weise, aber auch einfach sonst wo mitten im Geschehen den missionarischen Auftrag der Kirche, jedes Christen, also von der Wortbedeutung her das Gesendetsein, meditieren und auch gleich verwirklichen. Manchmal paßt vielleicht das Wort Jesu: "Geht! Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe." (Lk 10,3). Missionarisches Wirken muß nicht immer das direkte Ansprechen von Personen sein. Ich kann mit Aufmerksamkeit horchend und schauend wahrnehmen und innerlich die Welt – Menschen und Situationen – fürbittend vor Gott bringen.

Vielleicht braucht mich Gott gerade dort, wo ich jetzt bin. Vielleicht sagt Jesus auch zu mir, in meine laute Lebenswelt hinein: "Hierher habe ich dich berufen, nicht woanders"!

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Kongregation der Schwestern der Muttergottes der Barmherzigkeit (Hrsg.): Tagebuch der Schwester Maria Faustyna Kowalska. 5. Aufl. Hauteville/Schweiz: Parvis-Verlag, 2000., S. 12.

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